Occupy Wall Street – und die Frankfurter Börse?

Was passiert da gerade in New York und wäre so etwas wie die „Occupy Wall Street“-Proteste auch in Deutschland möglich? In den letzten Wochen gingen Bilder und Nachrichten aus Manhattan um die Welt: Hunderte campen unter dem Aufruf, die Wall Street zu besetzen, auf einem öffentlichen Platz, 700 Menschen wurden verhaftet und inzwischen demonstrieren tausende und haben sich eine Reihe von Gewerkschaften den Protesten gegen die ungerechte Verteilung des Reichtums angeschlossen. Die Bewegung – ich glaube, inzwischen kann man sie so nennen – geht auf einen Mitte Juli von den Adbusters veröffentlichten Aufruf zurück, am 17. September mit 20.000 Menschen die Wall Street zu besetzen. Weder kamen zwei Monate später die aufgerufenen 20.000, noch hat sich die zentrale Forderung des Aufrufs, Obama solle eine Komission einrichten, um den Einfluss der Konzerne auf die Politik zu beenden, als zentral in den Protesten manifestiert. Doch der Slogan und die damit verbundene Idee, das Herz der globalen Finanzwirtschaft zu besetzten, hat sich als kraftvolle Idee herausgestellt, die inzwischen in die ganze USA und andere Länder ausstrahlt.
Schon Anfang September wurden neun AktivistInnen bei einem „Probelauf“ verhaftet, als sie auf einem Bürgersteig der Wall Street übernachteten. Am 17. September kamen dann nach Berichten auf der OWS-Homepage 2.000 Menschen zur Aktion – eine tatsächliche Besetzung der Wall Street verhinderte ein massives Polizeiaufgebot, doch einige hundert DemonstrantInnen schlugen auf einem nahe gelegenen Platz ihr Lager auf. Ein weltweites Medienecho und massiven Aufschwung bekamen die Proteste, nachdem am 1.10. 700 Menschen auf der Brooklyn Brigde festgenommen wurden – an der Demonstration hatten sich wieder einige tausend Menschen beteiligt.
In den folgenden Tagen machte die Unterstützung der Proteste durch einzelne Prominente wie Micheal Moore oder den Ökonomie-Nobelspreisträger und früheren Weltbankpräsidenten Stiglitz Schlagzeilen.
Inzwischen hat Occupy WallStreet nicht nur in den USA NachahmerInnen gefunden – unter dem Titel Occupy London bzw. Occupy LSX (die Londoner Börse London Stock Exchange) wird zur Besetzung am 15. Oktober aufgerufen – am 9. Oktober soll es eine Vorbereitungsversammlung geben, die mit schon zuvor geplanten Protesten gegen die Kürzungspolitik der rechten Regierung zusammenfällt.
Wenn ich mich frage, ob sich aus dem Protest auch in Deutschland eine Dynamik entwickeln könnte, muss ich erst mal an die vor einem Jahr geplante Bankenblockade in Frankfurt denken, die dann mangels Beteiligung abgesagt werden musste. War es nur die richtige Idee nur zur falschen Zeit? Sicher ist jedenfalls: Wenn am 15. Oktober die von attac und einigen vom spanischen „Echte Demokratie jetzt“ Netzwerk inspirierten Menschen organisierte Aktion bei der Europäischen Zentralbank stattfindet, bekommt sie durch den weltweiten Zusammenhang eine erheblich erhöhte Aufmerksamkeit – und alleine die Chance muss man nutzen ;). Ob sich daraus eine richtige Dynamik entwickeln kann, weiß ich noch nicht – die Bankentürme von Frankfurt sind schon ein starkes Bild, aber anders als Wall Street nicht das nationale Synonym für die Macht des Kapitals. Aber dass es etwas von der Stimmung gibt, die für eine auf die zentralen Institutionen der Finanzwirtschaft gerichtete Protestwelle gegen die massive Umverteilungspolitik nach oben im Zuge der Krise braucht, zeigen allein die Reaktionen auf die Proteste in den USA. Also: Es wird spannend!

Ein Bericht vom besetzten Platz in New York – für alle, die daran zweifeln, ob hier linke AktivistInnen oder „NormalbürgerInnen“ am Werk sind…

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4 Antworten zu Occupy Wall Street – und die Frankfurter Börse?

  1. Dattel schreibt:

    Ich glaube ein Großteil der (radikalen) Linken in Deutschland ist viel zu sehr damit beschäftigt sich über die verkürzte Kapitalismuskritik der „Empörten“ zu streiten und daher sitzt das Unbehagen gegen so einen führerlosen Protest sehr tief. Lieber würden die einen als Avantgarde voran schreiten und den Protest kontrollieren und die anderen warten auf die ersten brennenden Großstädte in Deutschland. Hoffentlich gibt es bald auch mal eine soziale Bewegung von Unten aus Deutschland, die wirklich breite Teile der Gesellschaft einschliesst. Das dies nächste Woche passiert halte ich für eher unwarscheinlich, obwohl ich mich gerne überraschen lassen . Es fehlt einfach die Initialzündung für einen neuen Widerstand in Deutschland, der viele Menschen aus ihrer Atomisierung heraus holt, politisiert und langfristig radikalisiert. Die Proteste der letzten Jahre sind oftmals wieder auf den kleinen eingeschworenen Kreis zurückgefallen von dem sie ausgegangen sind. Wie beim Bildungsstreik, Kopenhagen, Krisenproteste, Antiatombewegung und vermutlich auch Stuttgard 21. Ich bin zwar kein Fan der Verelendungstheorie, aber denke schon, dass es den (jüngeren) hoch gebildeten Menschen in Deutschland noch zu gut geht, um ernsthaft Widerstand zu leisten. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig und das Unterwerfen unter Sachzwänge (unbezahlte Praktikas, scheiss Arbeitsvertrag) lernt mensch an den Schulen und Unis. Die deutsche radikale Linke kann selbst bei recht beschissenen Lebensperspektiven der Menschen dem in vielen Fällen nur eine Fundamentalkritik des ganzen Systems, der Gesellschaft und ihrer spiessigen Kleinbürlichkeit entgegenhalten. Auf der einen Seite werden die deutschen Tugenden bekämpft, auf der anderen Seite aber selbst reproduziert, weil so getan wird als ob mensch alles hätte was für die Revolution nötig ist. Das verhindert oftmals bereichernde Einflüsse aus anderen Ländern, wie z.B von den derzeitigen Revolten. Es liesse sich noch viel schreiben, was derzeit in der Linken falsch läuft, aber das würde es auch nicht ändern. Lieber lässt mensch sich von dem revolutionären Geist der aufflammenden Proteste inspirieren, der das Ideal eines guten Lebens für alle Menschen am Leben hält.

  2. fepix schreibt:

    Aber wenn du das so den anderen Ländern gegenüberstellst: Die Occupy Wall Street-Geschichte wurde ziemlich eindeutig von organisierten Linken gestartet und wird soweit ich das sehen kann im Wesentlichen von linken AktivistInnen getragen – das mag z.B. in Spanien anders sein, wo ja auch mehr (junge) Menschen von den Krisenfolgen unmittelbar in ihren Lebensperspektiven bedroht sind. Und gut, dass du noch mal die Protestbewegungen den letzten Jahre in Deutschland anführst, denn wir blicken immer neidvoll ins Ausland, aber die hunderttausenden auf unseren Anti-Atom-Demos und viele tausend bei Sitzblockaden und Schottern letztes Jahr im Wendland waren schon eine Qualität, an die wenige Bewegungen gerade herankommen – und sie haben einen materiellen Erfolg errungen!

  3. Dattel schreibt:

    Ja ich stimme dir zu, dass OWS von organisierten Linken gestartet wurde, aber wegen solch einem starren Denken (http://www.akweb.de/ak_s/ak553/36.htm) innerhalb der radikalen Linken wird es sowas zumindest dieses Jahr nicht in Deutschland geben. Sie mögen zwar recht haben, aber was nützt das, wenns die meissten Menschen nicht verstehen. Dann gehen die lieber ihrem prekären Job nach. Während dessen beteiligen sich die OWS Aktivisten heute an Demos, etc. gegen den Afghanistankrieg.

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